Wer sich eine Grube gräbt, fällt selbst hinein!

Im Arbeitsalltag lauern ein paar typische Gefahren, die es zu kennen und zu umgehen lohnt. Dabei sind mir in meiner Tätigkeit als Coach und im Austausch mit Kursteilnehmenden vor allem drei Fallen aufgefallen, die ich hier vorstellen möchte:

  1. Die Beliebtheitsfalle mit dem Treiber „be nice!“

In dieser Falle sitzen meist Frauen, Männer sind davor aber auch nicht grundsätzlich geschützt.

Mädchen erhalten in ihrer Sozialisation von Eltern, Verwandten, Lehrpersonen und auch von gleichaltrigen Kindern viel positives Feedback auf „nettes Verhalten“. Sie nehmen Rücksicht, drängeln sich nicht vor, lächeln, helfen anderen und sagen bitte und danke. In der Schule setzt man freundliche Mädchen gern neben „schwierige Jungs“, weil das die Atmosphäre im Klassenzimmer verbessert.

In Mädchengruppen zählt nicht die Stärkste oder schulisch Beste am meisten, sondern die „Beliebteste“. Dominante Mädchen erhalten von Kolleginnen oft negatives Feedback oder werden gar aus der Gruppe ausgeschlossen. Viele Frauen bleiben im Berufsumfeld unbewusst in der Rolle der „Netten“ stecken. Man hört auch häufig auf die Frage „Kennst du Frau Müller?“ eine Antwort wie „Ja, das ist eine Nette!“.

In Machtspielen ist die Rolle der „Netten“ eine machtlose.

Leider ist die Rolle der Netten in Machtspielen eine machtlose. Wer sich durchsetzen möchte, muss sich von der Vorstellung oder vom Wunsch befreien können, dass man von allen gemocht werden sollte. Wer eine klare Position einnimmt und vertritt, kann nicht nur Freunde haben. Statt „ich bin beliebt“ heisst das Ziel nun „ich werde respektiert!“

2. Die Fleissfalle mit dem Treiber „work hard!“

Bis zum Ende der Schule, ja gar bis zur Habilitation, zählen Arbeitseinsatz und Fleiss.

Mädchen und Frauen erzielen meist bessere Noten als ihre männlichen Kollegen. Sie investieren viel Zeit, um ein Sternchen, Smiley oder eine Sechs zu erreichen. Die 80/20-Regel, die besagt, dass mit 20 Prozent des Einsatzes bereits 80 Prozent des Ergebnisses erzielt wird, kommt nicht zur Anwendung. Stattdessen wird voller Einsatz geleistet.

Fleiss kann schädigend für die Beförderung sein.

Leider ändern sich die Spielregeln in der Arbeitswelt plötzlich gravierend. Fleiss wird nicht mehr belohnt, sondern kann sogar beförderungsschädigend wirken: Wer am Morgen die Erste und am Abend die Letzte im Büro ist, mit eiligen Schritten viele Akten durch die Gänge trägt und möglichst viel Zeit allein vor dem Computer mit dem Verfeinern letzter Details verbringt, erlangt eine beförderungshemmende Aussenwirkung: Die Frau ist am Limit! Mehr kann man ihr nicht zumuten.

Kollege X hingegen, der offenbar weiss, welche Aufgaben prestigeträchtig sind und die Fleissarbeiten delegieren kann, hat immer wieder etwas Zeit sich auf dem Gang mit anderen auszutauschen und über seine Erfolge zu reden. Da ist doch noch Potential, Luft nach oben! Vielleicht müsste man mit ihm mal über einen Karriereschritt reden. Und zudem wäre es schade, wenn die fleissige Mitarbeiterin nicht mehr auf ihrem Platz sitzt. Wer macht dann die ganze Arbeit?

Befördert wird man in der Führung für Durchsetzungsvermögen. Nicht „Do the job!“, sondern “Get the job done!”.

3. Die Überarbeitungsfalle mit dem Treiber “die young!“

Mit Tunnelblick und Überstunden auf dem Karriereweg. Das Sozialleben managt die Ehefrau, die Kinder sieht man beim Gutenachtsagen und am Wochenende, Erholung war früher, heute wird am Wochenende noch ein Marathon reingeschoben. Männer in dieser Falle sterben im schlimmsten Fall jung, an einem Herzinfarkt oder durch Freitod.

Gerade für die zweite Variante gab es in den letzten Jahren einige prominente Opfer. Es gibt aber noch andere Arten von „Toden“, die aus der Überarbeitung resultieren: Die Ehe stirbt, ohne dass man die Krankheit vorher bemerkt hatte, die Kinder sind erwachsen, aber das Vatersein ist verpasst, das Geschäft ist an die Wand gefahren und der Kopf hat dabei im Sand gesteckt.

Welche Prioritäten habe ich im Leben? Welche Lebensqualität möchte ich für mich und meine Familie?

„Life Balance“ ist hier die Antwort. Und mögliche Fragen dazu: Was sind meine Prioritäten im Leben? Was möchte ich erreichen, welche Lebensqualität will ich für mich und meine Familie? Fühle ich mich gesund, ausgeschlafen? Sehe ich meine Freunde und Freundinnen immer noch oft genug?

Diese Falle war längere Zeit vor allem den Männern vorbehalten, steht aber heute vermehrt auch Frauen offen.

Zum Weiterdenken …
Vor kurzem habe ich einen Satz gelesen, der mich sehr beeindruckt und aufgerüttelt hat, und der hier genau passt:
Definition der Hölle: An deinem letzten Tag auf Erden wird der Mensch, der du geworden bist, den Menschen treffen, den du hättest werden können.